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Flutkatastrophe an der Ahr

HcH gibt ein Update zu der Flut im Ahrtal und ihren Auswirkungen aus der Sicht eines Betroffenen.

Normalerweise berichten wir an dieser Stelle über Veränderungen und Neuerungen im deutschen Gesundheitswesen, dem DRG-System und anderen Vergütungsthemen. Aufgrund der aktuellen Situation geben wir heute – aus der Perspektive unseres unmittelbar betroffenen Co-Geschäftsführers Sven Sauermann – ein Update zur Flutkatastrophe, die in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli das Ahrtal getroffen hat.

 

Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich um eine Flut gehandelt hat, die mit ihrer unvorstellbaren Kraft und Gewalt einem Tsunami glich. Sie hat Zerstörung, Leid und Tod über das Ahrtal gebracht und diese Gegend für immer verändert. Die Schäden, die auf beiden Seiten des Flusses in Insul nach der Flut sichtbar wurden, sind gewaltig. Die Landschaft und der Ort sind dauerhaft verändert, der Fluss hat ein anderes Flussbett, drei Häuser und ein Nebengebäude wurden vollständig vom Fluss weggespült. Alle Einwohner von Insul haben wie durch ein Wunder überlebt. Es ist nicht erklärlich, warum wir nicht rechtzeitig gewarnt wurden, denn die Gefahr war wohl früh genug bekannt. Die Verwüstungen durch das Wasser sind unvorstellbar. Es wird Jahre dauern, bis die Infrastruktur vollständig wiederhergestellt ist. Viele der Häuser, die noch stehen, wurden nachhaltig beschädigt.

 

In den ersten zwölf Stunden waren wir komplett abgeschnitten, dann kamen die ersten Hubschrauber und evakuierten einzelne Personen. Auch die Wege ins und aus dem Tal waren durch den starken Regen über die Berge nicht passierbar. Es dauerte etwa 24 Stunden, bis die ersten Hilfskräfte (vor allem Privatpersonen) vor Ort eintrafen.

 

Nach der Flut kamen Dixi-Toiletten, Container mit Brauchwasser, große Mengen an Konserven, Trinkwasser, Stromaggregate, Benzin und Dieselkanister, Eimer, Schaufeln, Besen, Gummistiefel und vieles mehr – nach meinem Gedächtnis genau in dieser Reihenfolge. Die neuen Glasfaserkabel für schnelles Internet ragten zerrissen und zerfetzt aus bis zu vier Meter tiefen Löchern, welche die Flut neben Straßen, Wegen und Häusern ausgespült hatte. Die Kommunikation per Mobiltelefon war erst 30 Stunden nach der Flut wieder teilweise möglich und hat es uns erlaubt, Verwandte auf der anderen Seite des Flusses zu informieren (Brücken und Straßen waren weggeschwemmt oder nicht passierbar). Strom kommt inzwischen aus großen dieselbetriebenen Aggregaten, eines jeweils für ein paar Häuser, eine neue Brücke kam von der Bundeswehr. Dank gilt der Telekom, die unsere Datenlimits für 30 Tage aufgehoben hat und Elon Musk, der bereits nach kurzer Zeit über seine Firma Starlink freies Internet für alle kostenlos per Satellit angeboten hat.

 

Wir sind unglaublich dankbar für die Hilfe, die wir durch unzählige und oft unbekannte Helfer erhalten haben. Vor allen Dingen die vielen Privatpersonen, aber auch freiwillige Feuerwehren aus ganz Deutschland, die täglich im Dorf „eingefallen sind“, haben uns unbeschreiblich weitergeholfen. Ohne sie wäre das Chaos nicht zu beseitigen gewesen. Möbel, Küchen, Türen, Wände und Bodenbeläge, Estrich, Heizungen, Schlamm und Unrat wurden durch die vielen Helfer in Windeseile auf die Straßen geschafft. Die meisten dieser Helfer kannten wir gar nicht, sie waren einfach auf einmal da. Auf der Straße wurde der Dreck von Traktoren und Schaufelbaggern, meist in privater Hand, abgeholt und zum Sammelpunkt gefahren. Das passierte einfach so, ohne Absprache, ohne Kommandos. Jeder fasste mit an. Es gab keine übergeordnete Organisation, alle haben täglich bis zur Erschöpfung geholfen. Danke allen, die einfach so mit angepackt haben!

 

Heute, fast vier Wochen später, ist viel Dreck und Unrat beseitigt, aber die Schutthalden entlang der Ahr sind kilometerlang und der Dreck, die Autos, Öltanks und Waschmaschinen, Bäume und Zäune türmen sich 20 bis 30 Meter hoch. Bundeswehr, THW, Feuerwehr, die Hilfsorganisationen und die Polizei regeln die Infrastruktur, damit in Zukunft wieder Strom und Wasser fließen, die Müllabfuhr kommen, das Telefonnetz und das Internet funktionieren und Straßen und Brücken in unseren Orten wieder benutzt werden können. Wir machen uns Sorgen um die vielen Einzelschicksale, denen man nicht durch den Einsatz von schwerem Gerät helfen kann. Die Flut hat nicht nur gewaltige Schäden an der Landschaft, sondern bei vielen auch gravierende emotionale Spuren hinterlassen. Umso mehr zählen die große Unterstützung und Anteilnahme, für die wir uns von Herzen bedanken möchten.